Tanja Schlosser FIM ISDE Argentinien 06.-11.11.2023

Das gesamte Team Germany bei der Eröffnungsfeier ©Robert Pairan

Eigentlich sollte der Flieger am 29.10 Richtung Brasilien gehen damit wir ab Dienstag die 9 Sonderprüfungen ablaufen, Abnahme und alle offiziellen Themen abhaken und uns an das Klima gewöhnen konnten. Da das aufgrund eines medizinischen Notfalls im Flug zuvor nicht passierte, wurden wir in einem Frankfurter Hotel einquartiert. Anstatt deprimiert aus dem Fenster zu schauen haben wir das Beste daraus gemacht und die hoteleigene Sauna, den Pool und das Fitnessstudio genutzt und zum „Teambuilding“ etwas Lasertag gespielt.

Lasertag mit der Junior- & Damen-Trophy samt Betreuer

Der Flug wurde immer weiter rausgezögert und so flogen wir erst Mittwochnacht Richtung Brasilien und kamen Freitagmittag endlich in San Juan an. Nach einem kurzen Check-in ging es direkt raus zu den Prüfungen. Während meine Eltern das Bike aus der Transportkiste zusammenbauten und beim Aufbau des Containers halfen war für uns jede freie Minute Test laufen angesagt. Am Samstag fuhren wir noch kurz auf die Teststrecke um die letzten Einstellungen am Motorrad vorzunehmen und dann ging es abends auf die Opening-Ceremony. Die Abnahme am Sonntag verlief ohne Probleme und so haben wir in der kurzen Zeit doch noch fast alles geschafft, was wir schaffen mussten.

Foto: Fred Ccy

Der erste Tag verlief bis zum 3. Test problemfrei. Dann hatte ich plötzlich mitten im Test keine Konzentration und Kraft mehr, habe dadurch auch einige Fehler gemacht, die viel Zeit kosteten. In der Reflexion danach fiel mir schnell auf, dass mit der Sonne bei über 45°C in der Wüste ohne Schatten nicht zu spaßen ist. Beim Gespräch mit meiner Teamkollegin Maria Franke einigten wir uns darauf, nichts mehr zu riskieren um erstmal verletzungsfrei im Paddock anzukommen, denn die 6 Tage waren noch lang. Das Wetter bereitete allen ab Mittag enorme Probleme, sodass schon am ersten Tag 92 von 339 Fahrern ausgefallen sind und einige nach dem Rennen von den Ärzten Infusionen bekamen.

Die wichtigste Aufgabe der Betreuer: Wasser auffüllen und Brille putzen. Foto: Fred Ccy

Bei meiner Teamkollegin Maria war es leider auch schnell vorbei, da ihr Bike mitten in der Wüste kaputt gegangen ist. Da ich hinter ihr startete hielt ich kurz an um zu helfen, doch ich konnte nicht viel mmachen als der nächsten Person Bescheid zu geben die ich sah. Die kommenden 30 Minuten auf der Etappe kam nichts außer Steine, Sand und stachelige Büsche und Telefonnetz suchte man dort auch vergebens.
Obwohl ich mit meinem Speed in den Tests nicht zufrieden war, zeigte mein Ergebnis mit Platz 7, dass die anderen Frauen auch zu kämpfen hatten und wie wichtig konstante Zeiten in dieser Woche sein werden. Völlig K.O kam ich am Paddock an, wechselte dort noch meinen Hinterreifen und machte mein Bike für den nächsten Tag fertig. Als ich die Beta dann endlich abgegeben habe war ich komplett fertig und schleppte mich zum Essen. So kaputt wie an diesem Tag war ich noch nie und auch den Anderen merkte man das Wetter und die Anstrengung an. Nachdem ich mich nach einigen Cola und etwas Essen umziehen konnte ging es endlich wieder ins Hotel bzw. bis zum Abendessen in den Pool und dann ins Bett. Da mich der erste Tag schon so fertig machte, wusste ich nicht wie ich den nächsten Tag überleben sollte. Glücklicherweise nahmen sie einige Passagen in der Etappe raus, wodurch wir anstatt 7 „nur“ 6 Stunden Fahrzeit hatten.

Foto: Fred Ccy

In der Früh schmerzte der ganze Körper. So schlapp habe ich mich noch nicht mal nach einer 2-Tagesveranstaltung gefühlt. Doch nach dem ersten Etappenstück bis zum Test fühlte ich mich schon wieder wohler, konnte in den Tests etwas pushen und mich wieder auf Platz 7 halten. Diesmal erwischte mich die Hitze erst am Ende der 2. Runde, in der Etappe habe ich ein richtiges Konzentrations- und Kraftloch gemerkt, das ich so bisher noch nie hatte. Am Service habe ich dann kurz bevor ich wieder los musste nach meinem Helm gefragt um 2 Sekunden später festzustellen, dass ich ihn bereits auf hatte. Wir konnten zwar darüber lachen aber ich finde das stellt meine Fahrtüchtigkeit infrage und zeigt wie sehr ich teilweise am Limit war. Am Ende des Tages fühlte ich mich trotzdem schon besser und konnte in den 15 Minuten beide Reifen wechseln, was durch den harten, steinigen Boden auch nötig war.

Beim Reifenwechsel sowie auch an jeder Prüfung an meiner Seite: mein Vater. Foto: ©Fred Ccy

Am Abend erfuhren wir, dass ein Kollege aus dem Team während des Rennens verstorben ist. Das machte uns allen zu schaffen und ich stellte mir die Frage: Wofür das ganze Risiko und die Quälerei? Unsere Chance auf eine Podestplatzierung in der Teamwertung (worum es bei der Mannschaftsweltmeisterschaft ja eigentlich geht) ist am 1. Tag mit dem Ausfall von Maria gefallen.
Die Hitze machte allen stark zu schaffen und sorgte bei mir für bedenkliche Konzentrationsausfälle. Wenn es auf der Etappe blöd läuft, dann verbringt man da 2 Stunden bis Hilfe kommt. Und auch der Spaß blieb eher auf der Strecke. Obwohl Aufgeben für mich normal nie eine Option war, fehlte mir einfach das Ziel vor Augen, welches ich dank ein paar Nachrichten mit Ralf Schaardt wieder finden konnte: Die härtesten 6 Tage meines Lebens zu beenden.

Der 3. Tag begann mit einer komplett neuen Runde. Ich konnte mich trotz vorherigem Ablaufen an nichts erinnern und fuhr blind in den Test. Im Nachhinein reflektiert war der Speed den ich gefahren bin für meine körperliche und psychische Verfassung zu hoch. Immerhin hat uns das Glück nicht ganz verlassen und ich konnte trotz einiger fast-Stürze eine gute Zeit einfahren.
Die anderen 2 Tests lagen mir sehr und ich hatte zur Abwechslung endlich mal etwas Spaß. Auch die Etappe war schöner zu fahren, denn diesmal war zum ersten Mal auch Straße dabei und die OffroadTeile waren durch einige schöne Steinfelder zwar anspruchsvoller aber nicht so zermürbend wie die Wellen an den ersten Tagen.

Nicht nur Steine, sondern auch Sand hat Loma zu bieten ©Fred Ccy

Auch der 4. Tag war von den Temperaturen (30°C) angenehmer und ich konnte den Tag ohne große Probleme wieder auf Platz 5 beenden. Meine Teamkollegin Samantha hatte schon am Vortag mit einer entzündeten Blase an der Hand zu kämpfen und konnte deshalb den Lenker kaum noch halten. Leider musste sie sich an diesem Tag auch geschlagen geben.

Meine 2 Lieblingstests lagen direkt am Stausee mit einer schönen Aussicht für Zuschauer ©Fred Ccy

Am 5. Tag wurde wieder eine neue Runde gefahren. Die Tests konnte ich mir vorab nur über Handyaufnahmen eines Kollegen anschauen, so wusste ich zumindest über „gefährliche“ Schlüsselstellen Bescheid. Noch vor dem ersten Test kam eine kleine, schöne Flussdurchfahrt die ich locker meistern konnte. Kurz darauf folgte eine mini Bachdurchfahrt, nichts spektakuläres. Da ich es nicht besser wusste wollte ich entspannt durchfahren, was bei der Tiefe der Wasserrille aber nicht möglich war und so machte ich einen Hecht über den Lenker direkt ins kalte Wasser. Die Erfrischung war bei dem Wetter gar nicht so schlecht und ich startete hellwach in den ersten Test, welcher einige Flussdurchfahrten enthielt, bei denen mein Bike kurzzeitig schon anfing Wasser zu ziehen. Dank der Hilfe der Betreuer und ausgefallenen Fahrer fand ich immer wieder die richtige Spur durch das tiefe Wasser und konnte den Test- anders als einige Andere- ohne Ausfall oder Behinderung beenden. Die anderen Tests waren wieder komplett trocken und steinig, was mir auch gefiel. Ich konnte diese ohne große Vorkommnisse mit sehr konstanten Zeiten meistern und mit Platz 4 mein bestes Tagesergebnis einfahren.

Der 1. Test war durch das kalte Wasser am besten besucht ©Fred Ccy

An Tag 6 stand das lang ersehnte Abschlussmotocross auf dem Plan. Das bedeutete nochmal 20 Minuten beißen und dann haben wir es geschafft. Die ersten 10 Minuten konnte ich gut pushen aber dann verkrampften meine Unterarme und ich konnte den Lenker kaum noch halten. Trotzdem beendete ich den finalen Tag mit Platz 3 bei den Damen, worauf ich sehr stolz bin.

Warm-up darf auch für die letzten 20min nicht fehlen ©Fred Ccy

Ich konnte mich über die 6 Tage stetig verbessern, was ich aufgrund meiner physischen und psychischen Verfassung an Tag 1 absolut nicht erwartet hätte. Das zeigt, dass nicht nur ich, sondern
alle FahrerInnen mit den Temperaturen und teilweise mit schmerzhafteren Verletzungen zu kämpfen hatten. Außerdem bin ich sehr froh, dass meine Beta über die 6 Tage keinerlei Probleme bereitet hat, wodurch ich mich um nichts weiter kümmern musste als Reifen wechseln und die üblichen kleinen Wartungen. Ich konnte mich durch meine mentale Stärke, mein fahrerisches Können und die gute Zusammenarbeit mit meinen Eltern und meinem Team am Ende durchsetzen und musste mich nur den Amerikanerinnen und Australierinnen in der Einzelwertung geschlagen geben. Nach den 6 Fahrtagen landete ich auf Platz 5 in der Damenwertung und unser Team landete auf Platz 6.

An der Seite Teamkollegin Samantha, die mich jeden Tag motivierte ©Fred Ccy

Das war mit Abstand das härteste Rennen, welches ich bisher bestritten habe. Uns wurden diesmal noch viel mehr Steine in den Weg gelegt und trotzdem hielten wir als Team zusammen und konnten die Herausforderung meistern. Ich habe mir immer wieder gedacht „Wenn ich die 6 Tage schaffe, dann schaffe ich alles“. Für mich war es eine lehrreiche Erfahrung die mich menschlich und mental ein ganzes Stück weiter gebracht hat. Das habe ich vor allem meinen Eltern zu verdanken, die ihre Zeit und ihr Geld investieren um mir dieses Hobby zu ermöglichen und mich dabei bestmöglich unterstützen. Aber auch allen anderen Sponsoren und Unterstützern. Vielen Dank, dass Ihr mir eine perfekte Saison ermöglicht habt.

Meine Mutter kümmerte sich spontan um die Verpflegung aller Fahrer und konnte mir nur beim Abschlusscross zusehen. ©Fred Ccy

Jetzt braucht mein Körper erstmal eine längere Pause zum Regenerieren und dann geht es im Winter wieder nach Spanien zur Saisonvorbereitung für nächstes Jahr.
Vielen Dank für die Unterstützung Vorab schonmal frohe Weihnachten und ein gesundes neues Jahr!
Tanja Schlosser

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